Erfolgsregler

Erfolgsregler - Titelbild

Herkömmlicherweise werden Projekte als erfolgreich betrachtet, wenn sie in vorgegebener Zeit und zu vorgegebenen Kosten durchgeführt werden.

Doch kann das wohl nicht alles sein, wie jeder weiß, der schon einmal ein neues System in Betrieb genommen hat, das keinen nennenswerten zusätzlichen Nutzen geschaffen hat für die Organisation.

Es kommt also darauf an, die Anforderungen richtig aufzunehmen. Was nicht sonderlich überraschend und auch nichts Neues ist.

Was jedoch des Öfteren übersehen wird: Noch wichtiger als die reinen Anforderungen zu betrachten ist es, die Erwartungshaltungen der Stakeholder zu verstehen und zu managen.

Ein einfaches, aber sehr wirkungsvolles Hilfsmittel dafür sind Erfolgsregler zur Visualisierung der Wertigkeit von Erfolgskriterien.

Ein Erfolgsregler benennt ein Erfolgskriterium und besitzt eine Skala, auf der die relative Wichtigkeit dieses Erfolgskriteriums für den Gesamterfolg abgebildet werden kann.

Hört sich abstrakt an, sieht aber ganz einfach aus. Z.B. so, wenn man sich mit Excel selbst einen einfachen Erfolgsregler bastelt:

 

Um ein Projekt zum Erfolg zu führen, sollte man so früh wie möglich die Stakeholder zusammenrufen und dazu bringen, sich im ersten Schritt auf eine Menge von Erfolgskriterien zu einigen, die für das Projekt betrachtet werden sollen.

Im zweiten Schritt sollen die Stakeholder sich für jedes einzelne dieser Erfolgskriterien auf einen gemeinsamen Wert der relativen Wichtigkeit einigen. Indem für jedes der Erfolgskriterien ein Wert auf dessen Werteskala ausgewählt wird. Zunächst von jedem für sich allein und dann für alle gemeinsam, indem die verschiedenen Einzelwerte der Stakeholder diskutiert werden, bevor sie sich auf eine gemeinsame Bewertung verständigen.

Dieses Verfahren ist vom Prinzip her sehr einfach und führt zu einer lebhaften und zielführenden Gruppendynamik. Denn es zwingt die Stakeholder dazu, sich auf ein gemeinsames Zielbild zu verständigen.

An diesem frühen Punkt entscheidet sich bereits der Erfolg des Projektes. Denn sollten die Stakeholder sich nicht einigen können, steht Übles zu befürchten für den weiteren Verlauf des Projektes und man kann tatsächlich überlegen, ob man das Projekt nicht lieber gleich zu Beginn wieder abbrechen sollte.

An den von den Stakeholdern ausgewählten Erfolgskriterien und den zugeordneten Werten kann der Projektleiter/Product-Owner/Requirements Engineer erkennen, mit wem er es zu tun hat. Für Frontend-Systeme verantwortliche kundenorientierte Personen werden andere Erfolgskriterien hoch gewichten als diejenigen, die für Finanzströme verantwortlich sind und vorrangig an Geld denken. Und die Endanwender und Teammitglieder des Entwicklungsteams werden wiederum andere Gesichtspunkte einbringen.

Einer der größten Vorteile von Erfolgsreglern ist, dass sie visualisieren, dass es Trade-Offs gibt zwischen verschiedenen Parametern. Bei begrenzten Ressourcen muss bei der stärkeren Gewichtung eines Kriteriums ein anderes zurückstehen. Die Erfolgsregler zwingen also die Stakeholder, sich offen und ehrlich mit ihren Erwartungen auseinanderzusetzen. Damit wird eines der Probleme von Projekten vermieden, dass darin besteht, dass zur Vermeidung von Streit Erwartungen nicht frühzeitig genug offen ausgesprochen oder kontrovers diskutiert werden. Da die Erwartungen jedoch bestehen bleiben, führen sie dann im Verlauf des Projektes immer wieder zu Stress für alle Beteiligten, weil jeder Stakeholder versucht, das Projekt in eine Richtung zu bewegen, die seinen Erwartungen am ehesten gerecht wird. Was noch dadurch verschlimmert wird, dass die anderen davon u.U. nichts wissen und dann gelegentlich oder sogar des Öfteren irritiert sind.

Natürlich fühlt sich manch einer versucht, alle Regler bis zum Anschlag hochzudrehen, weil alles total wichtig und unverzichtbar sei. Doch lässt sich diese Ansicht im Gespräch zwischen mehreren Stakeholder selten lange durchhalten und natürlich wird schon bald klar, dass einige Erfolgskriterien wichtiger sind als andere.

Es leuchtet ja auch ein, dass man z.B. keinen Audi A6 konstruieren kann für den Preis eines Fiat 500. Jedes moderne Auto bringt seinen Fahrer von A nach B und für den Erfolg eines Projektes in der Automobilindustrie genauso wie in anderen Branchen ist entscheidend festzulegen, welche Erfolgskriterien es darüber hinaus gibt und wie wichtig sie für die beteiligten Ingenieure, Zulieferer, Händler und Endkunden sind.

Unterstützen kann man dies, indem man eine Gesamtzahl von Punkten festlegt, die ein Stakeholder vergeben darf in seiner Bewertung. Diese Gesamtzahl setzt man geringer an als die maximal mögliche Anzahl von Punkten, die sich ergäbe, wenn alle Regler auf dem Maximum stünden.

Beispiel: 10 Erfolgsregler mit einem Wertebereich von 1-10 ergäbe maximal 100 Punkte, wenn alle auf dem Maximum stünden. Darf ein Stakeholder insgesamt nur maximal 80 Punkte vergeben, so zwingt ihn das bereits, intensiver über die Wertigkeit der verschiedenen Erfolgskriterien in Relation zu den anderen Erfolgskriterien nachzudenken. Dasselbe gilt für die Gesamtbewertung, auf die sich alle Stakeholder gemeinsam einigen.

Der Einsatz von Erfolgsreglern führt dazu, dass Konflikte in der Bewertung nicht unter dem Teppich bleiben, sondern offen zur Sprache gebracht werden.

Wertebereich festlegen

Erfolgsregler haben wie jeder 1-dimensionale Regler einen minimalen und einen maximalen Wert.

Es stellt sich also die Frage, welchen Wert man als unteren minimalen und als oberen maximalen Wert wählen soll.

Dazu fallen den meisten Leuten mehrere mögliche Varianten ein anhand von Erfahrungen, die sie bereits gemacht haben.

Der Wertebereich 1-6 wie im klassischen Schulnotensystem. Das taugt allerdings nur für Dinge, die man bewerten und dabei auch Emotionen zulassen will. Denn instinktiv verbinden Menschen aus unserem Kulturkreis genau wegen des klassischen Schulnotensystems mit der 6 etwas Übles und mit einer 1 etwas sehr Gutes. Und zwar nicht nur objektiv, sondern auch emotional. Deshalb ist diese Skala nicht so gut geeignet für eine neutrale Bewertung im Zusammenspiel mit vielen anderen Faktoren. Weil es den Beteiligten schwerer fällt, die höheren (schlechteren) Zahlen zu wählen, selbst wenn dies richtig wäre.

Der Wertebereich 1-3 wie für Prioritäten nach dem ABC-Schema. Diese Skala ist zu grob in vielen Kontexten, wo es auf eine echte feingranulare Abwägung ankommt. Viele Menschen neigen dazu, den Wert in der Mitte zu nehmen. Und manche Manager neigen dazu, alles total wichtig zu finden und den höchsten Wert zu oft einzusetzen und nicht feinsinnig abzustufen.

Der Wertebereich 1-5 ist schon besser und für eine sachlichere Auswertung zu empfehlen. Aber auch hier kann der Wertebereich je nach Kontext noch zu klein sein.

Aus diesen Gründen verwende ich für Bewertungen häufig den Wertebereich 1-10. Mit 1 als unwichtig und 10 besonders wichtig.

Genau diesen Wertebereich von 1 bis 10 verwende ich auch für die Erfolgsregler.

Erfolgsregler mit Excel erstellen

Man kann in Workshops mit einfachen manuellen Hilfsmitteln arbeiten wie auf Whiteboards aufgemalten Skalen, auf die man Markierungen aufbringt für ausgewählte Werte. Bei nicht allzu vielen Beteiligten kann jeder Teilnehmer einen Stift mit eigener Farbe erhalten. Damit trägt jeder zunächst seinen eigenen Wert ein, bevor sich die Teilnehmer in einem darauf folgenden Durchgang auf einen gemeinsamen Wert einigen.

Für manche Kontexte (z.B. über mehrere Standorte verteilte Teams, zeitlich versetzte Befragungen etc.) eignen sich elektronische Hilfsmittel besser.

Bevor man für das Verfahren der Erfolgsregler in elektronischer Form nach Speziallösungen sucht, kann man sich überlegen, ob nicht eine einfache Excel-basierte Lösung ausreicht.

Wie das geht, skizziere ich kurz für diejenigen, die sich mit dem Excel-Feature „Schieberegler“ bisher noch nicht beschäftigt haben.

Dazu muss man als Erstes etwas konfigurieren, damit die Schieberegler sichtbar werden und benutzt werden können.

Die Option für das Verwenden von Schiebereglern befindet sich in den sogenannten „Entwicklertools“. Diese sind bei Verwendung der Standard-Einstellungen nicht sichtbar und müssen erst eingeblendet werden.

Gehe dazu in Excel links oben auf „Datei/Optionen“:

 

Wähle „Menüband anpassen“:

 

Kreuze auf der rechten Seite unter „Hauptregisterkarten“ die „Entwicklertools“ an und bestätige die Änderungen mit „OK“:

 

Und schon kann’s losgehen.

Denn jetzt gibt es eine zusätzliche Registerkarte „Entwicklertools“:

 

Also hurtig auf diese Registerkarte gegangen und „Bildlaufleiste“ gewählt:

 

Kurz noch das Steuerelement formatieren über das Kontextmenü:

 

In dem daraufhin erscheinenden Dialog den Minimalwert 1, den Maximalwert 10 und die Schrittweite 1 eingeben für unseren Erfolgsregler. Und natürlich via „Zellverknüpfung“ die Zelle, auf deren Inhalt der Regler operieren soll:

 

Und das war’s auch schon.

Denn jetzt kann der Regler irgendwo platziert und benutzt werden, um den Inhalt der Zielzelle zu verändern im angegebenen Wertebereich. Zum Beispiel kann man ihn direkt über die Zelle legen, so dass optisch sofort klar ist, worauf er sich bezieht:

 

Das geht natürlich auch für mehrere Zellen und schon in wenigen Minuten hat man eine kleine Tabelle erstellt mit den Erfolgskriterien in der ersten Spalte und für jeden Stakeholder (in unserem Beispiel sind dies Daniel und Florian) eine Spalte, in der er seine eigene Bewertung unabhängig von allen anderen in einem ersten Durchlauf einträgt. In der letzten Spalte „Gesamtbewertung“ tragen dann alle Stakeholder gemeinsam ein, auf welche Bewertung (Erwartung) sie sich gemeinsam geeinigt haben:

 

Einfach, billig, schnell und für den Start völlig ausreichend, würde ich mal sagen.

Ich bin gespannt auf Feedback zur Idee der Erfolgsregler als solches und darauf, in welchen Kontexten Du sie einsetzt.

Literatur

Die Idee der Erfolgsregler stammt aus dem Buch „Radical Project Management“ von Rob Thomsett. Das Buch ist empfehlenswert, wenn Du Dich intensiver mit agilem Projektmanagement beschäftigen willst.